Die Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat muss aktiv gestaltet werden. Dies setzt die rechtzeitige Prüfung voraus, wie die Arbeitnehmervertretung zu beteiligen ist. Aktuelle Beispiele zeigen, wie wichtig dieser Grundsatz ist. Die Zusammenarbeit zwischen Betriebsrat und Geschäftsleitung ist auch von Konflikten geprägt. Das Gebot der Zusammenarbeit beinhaltet die Pflicht der Betriebsparteien, durch ständigen Dialog und die Mitwirkung an betrieblichen Entscheidungen, Konflikte zu lösen. Die Interessenlage der anderen Seite sollte deshalb bei gemeinsamen Gesprächen nicht von vornherein ausgeblendet werden. Leicht ist das nicht – denn einige Gerichtsentscheidungen im letzten Jahr haben die Position des Betriebsrates gestärkt.
Die betrifft beispielsweise neue Arbeitsmethoden. New Work oder Agilität sind Schlagworte, die derzeit in vielen Betrieben eine hohe Bedeutung haben. Eine Herausforderung ist dabei die Motivation der Beschäftigten, sich an diesen Veränderungen zu beteiligen. Häufig werden Changemanagement-Strategien dabei eingesetzt. All dies kostet Führungsverantwortliche viel Zeit. Und dabei wird häufig die Arbeitnehmervertretung vergessen – was gravierende Folgen haben kann, wie eine Entscheidung des Arbeitsgerichts Bonn (Beschluss vom 10.10.2022, 3 BV 116/22) zeigt. In einem Unternehmen wurden seit mehreren Jahren Projekte in Scrum-Teams bearbeitet.
Der Gesamtbetriebsrat war der Meinung, dieses Vorgehen sei mitbestimmungspflichtig gem. § 87 Abs. 1 Nr. 13 BetrVG, da es sich um eine Art von Gruppenarbeit handle. So wurde zwar zunächst eine Pilot-Vereinbarung geschlossen, jedoch konnten sich Arbeitgeber und Arbeitnehmervertretung nach Ablauf der Pilotphase nicht auf eine Anschlussregelung verständigen. Der Arbeitgeber setzte die agile Projektarbeit weiter fort, woraufhin der Gesamtbetriebsrat vor Gericht durchsetzte, dem Arbeitgeber die weitere Durchführung von agiler Gruppenarbeit zu unterlassen.
Gruppenarbeit im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 13 BetrVG liegt vor, wenn eine Gruppe von Arbeitnehmern innerhalb eines betrieblichen Arbeitsablaufs eine ihr übertragene Aufgabe hauptsächlich eigenverantwortlich erledigt. Der Gruppenbegriff setzt voraus, dass den in der organisatorischen Gemeinschaft der Arbeitsgruppe zusammengefassten Arbeitnehmern für eine gewisse Dauer eine Gesamtaufgabe zur Erfüllung übertragen wird.
Eine agile Aufbauorganisation erfolgt durch agile Arbeitsmethoden, die die Flexibilisierung auf der Arbeitsebene umsetzen sollen. Die bekannteste und am weitesten verbreitete agile Arbeitsmethode ist „Scrum“. Eine von der Bitkom Research GmbH durchgeführte Analyse hat ergeben, dass 79% der deutschen Unternehmen, die agile Arbeitsmethoden anwenden, auf Scrum setzen. In der Industrie sind es sogar 84% der Unternehmen (die Analyse ist abrufbar unter: Scrum – König unter den agilen Methoden).
Das Arbeitsgericht stellt klar: Die Einführung von agilen Arbeitsformen kann gem. § 87 Abs. 1 Nr. 13 BetrVG mitbestimmungspflichtig sein.
Ein weiteres Beispiel: Auch die Beteiligung des Betriebsrates bei Eingruppierung ist weitreichend – so LAG Köln vom 22.07.2022 (Aktenzeichen 9 TaBV 14/21).
Ein Streit landete vor Gericht: Der Betriebsrat verweigert seine Zustimmung zur Eingruppierung in einen Tarifvertrag, weil der Arbeitgeber die Berufsjahre von Arbeitnehmern zu niedrig angesetzt und deshalb eine falsche Gruppe gewählt habe. Der Betriebsrat darf bei Eingruppierungen im Betrieb mitbestimmen. Das Mitbestimmungsrecht erstreckt sich dabei auf alle Faktoren, die für die Eingruppierungsentscheidung des Arbeitgebers mitentscheidend sind.
Die Richter stellten klar: Bei Ein- und Umgruppierungen hat der Betriebsrat nach § 99 BetrVG ein Beteiligungsrecht. Laut Gericht ist die Reichweite des Mitbestimmungsrechts nicht auf die Zuordnung der Tätigkeit des entsprechenden Arbeitnehmers in eine bestimmte Vergütungsgruppe beschränkt. Als einheitliches Verfahren umfasse das Mitbestimmungsverfahren vielmehr alle Bereiche der Ein- und Umgruppierung. Deshalb fallen auch alle Faktoren, die im Zusammenhang mit einer Eingruppierung zu einem unterschiedlichen Entgelt führen können, unter das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Dazu gehören auch die Berufsjahre, die ein Arbeitnehmer gesammelt hat, wenn sich aus deren Zuordnung ein unterschiedliches Entgelt ergibt. Denn die Zuordnung der Berufsjahre zu einer Vergütungsgruppe ist letztlich mitbestimmend für die Eingruppierungsentscheidung des Arbeitgebers, bei der der Betriebsrat mitbestimmen darf.
Wie schwierig der Umgang mit dem Betriebsrat sein kann, verdeutlicht eine andere Gerichtsentscheidung. So hat ein Versandhändler in Winsen (Luhe) mit Erfolg gegen die Landesbeauftragte für den Datenschutz Niedersachsen geklagt. Demnach darf die Firma weiterhin Handscanner einsetzen, mit denen die Arbeitsschritte von Beschäftigten vom Wareneingang bis Warenausgang „getrackt“ werden. Die entsprechende Datenerhebung ist rechtmäßig, so das Verwaltungsgericht Hannover vom 09.02.2023 (Az.: 10 A 6199/20). Dies setzt jedoch nicht die Beteiligung des Betriebsrates außer Kraft. Nach § 87 Abs. 1 Zif. 6 BetrVG besteht Mitbestimmung bei Einführung neuer Technik. Vor Einsatz ist deshalb der Betriebsrat zu informieren und eine Einigung über mögliche personenbezogene Auswertungen zu erzielen. Erfolgt dies nicht, kann der Betriebsrat im Extremfall die Planungen über eine einstweilige Verfügung beim Arbeitsgericht stoppen – unabhängig von der Frage, ob der Datenschutzbeauftragte bereits zugestimmt hat.
Wer sich über diese Gerichtsentscheidungen ärgert, muss sich im Klaren sein: Ein Ignorieren des Betriebsrates, ein Bestreiten seiner Rechte, hat Konsequenzen. Der Umgang mit dem Betriebsrat kann nur auf einer rationalen Ebene erfolgen, wenn alle Entscheidungsträger im Betrieb über die Beteiligungsrechte Bescheid wissen. Das Risiko, durch zu späte Information des Betriebsrates die planmäßige Umsetzung wichtiger Projekte zu gefährden, ist andernfalls zu hoch. Dies muss frühzeitig geplant werden:
Die Zusammenarbeit muss organisiert werden – wie dies möglich ist, zeigt das Seminar „Umgang mit dem Betriebsrat“.
2-Tage Intensiv-Seminar
Zusammenarbeit von Arbeitgeber und Betriebsrat
In unserem Intensiv-Seminar wird Ihnen der rechtliche Rahmen der Betriebsratsarbeit aufgezeigt und durch praxisbezogene Darstellungen verständlich erläutert - auch für juristische Laien. Darüber hinaus erhalten Sie diverse Anregungen, wie Sie die Zusammenarbeit mit Ihrem Betriebsrat konstruktiv gestalten können.