Medien sprechen von einem „Paukenschlag“: Das Bundesarbeitsgerichts (BAG) schreibt die Zeiterfassung für jeden Betrieb vor (BAG vom 13.09.2022, Az: 1 ABR 22/21).
Danach ist der Arbeitgeber gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz verpflichtet, ein System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann. Aufgrund dieser gesetzlichen Pflicht kann der Betriebsrat die Einführung eines Systems der elektronischen Arbeitszeiterfassung im Betrieb nicht per Einigungsstelle erzwingen. Diese BAG-Entscheidung darf nicht zur Vorstellung führen, der Betriebsrat ist beim Zeiterfassungsthema außen vor.
Denn der Betriebsrat hat darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze durchgeführt werden. Diesen Überwachungsauftrag nach § 80 Abs. 1 Zif. 1 BetrVG kann das Gremium bei Arbeitszeitfragen nur angehen, wenn auch Informationen durch den Arbeitgeber erfolgen. Bezüglich der Pflicht des Unternehmens, nach § 16 Abs. 2 Arbeitszeitgesetz die über die werktägliche Arbeitszeit von 8 Stunden hinausgehende Arbeitszeit der Arbeitnehmer aufzuzeichnen, hat das BAG den Informationsanspruch des Betriebsrates bereits vor Jahren konkretisiert (BAG vom 06.05.2003, AZ: 1 ABR 13/02): Zur Wahrnehmung seiner Überwachungsaufgabe benötigt der Betriebsrat Kenntnis von Beginn und Ende der täglichen und vom Umfang der tatsächlich geleisteten wöchentlichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer. Bei Antwort des Arbeitgebers, solche Aufzeichnungen nicht zu führen, kann der Betriebsrat die Aufsichtsbehörde einschalten. Denn in den Bußgeldvorschriften des § 22 ArbZG findet sich unter Abs. 1 Nr. 9: Ordnungswidrig handelt, wer als Arbeitgeber entgegen § 16 Abs. 2 Aufzeichnungen nicht oder nicht richtig erstellt oder nicht für die vorgesehene Dauer. Die BAG-Entscheidung, dass der Arbeitgeber zur Zeiterfassung verpflichtet ist, kann Betriebsräten so ermöglichen, diese Daten auch anzufordern. Bereits eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs hat den Handlungsbedarf verdeutlicht. EU-Staaten müssen Arbeitgeber zur Arbeitszeiterfassung verpflichten, so das Urteil des EuGH vom 14. Mai 2019 (C-55/18). Das Aussitzen dieser Entscheidung durch den Gesetzgeber rächt sich jetzt.
Eine besondere Rolle hat der Betriebsrat aber nicht nur bei der Zeiterfassung. Auch bei der Arbeitszeit hat der Betriebsrat ein starke Position: Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen und die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage unterliegen der Mitbestimmung des Betriebsrates. Eine Betriebsvereinbarung gemäß § 87 Abs. 1 Zif. 2 und 3 BetrVG ist erzwingbar. Diese kann Regelungen beinhalten zu Beginn und Ende der Arbeitszeit, Kernarbeitszeit und Arbeitszeitkonten sowie den Umgang mit Verstößen.
Das Kernstück des Betriebsverfassungsrechtes sind die Mitbestimmungsrechte. Mitbestimmung sieht zwingend die Beteiligung des Betriebsrates vor. Kommt eine Einigung über ein Mitbestimmungsthema nicht zustande, so entscheidet nach § 87 Abs. 2 BetrVG die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.
Dies kann konkret bedeuten: Der Arbeitgeber möchte im Rahmen der digitalen Transformation eine neue Software einführen. Dazu muss er eine Einigung mit dem Betriebsrat erzielen. Denn dieses Thema unterliegt der Mitbestimmung des Betriebsrates. Risiken aus Unternehmenssicht ergeben sich auf zwei Ebenen:
a) Der Arbeitgeber muss die Zustimmung des Betriebsrates zu der geplanten Maßnahme einholen. Dies ist die Voraussetzung für die Einführung der neuen Technik. Einen Verstoß kann der Betriebsrat ahnden lassen – der Arbeitgeber riskiert, dass das Gremium beim Arbeitsgericht per einstweiliger Verfügung einen Stopp dieser Planungen durchsetzt.
b) Bei der Mitbestimmung kann die Initiative auch vom Betriebsrat ausgehen. Beantragt der Betriebsrat eine Änderung bei einem Mitbestimmungsthema, etwa Beginn und Ende der Arbeitszeit, sollte die Geschäftsführung der Aufforderung zu Verhandlungen auch nachkommen. Denn andernfalls kann der Betriebsrat ein Einigungsstellenverfahren durchsetzen. Eine Regelung dazu ist erzwingbar, d.h. bei Nichteinigung entscheidet die Einigungsstelle, die dann eine Neuregelung festlegt.
Bei neuer Technik hat der Betriebsrat Mitbestimmung nach § 87 Absatz 1 Zif. 6 BetrVG. Laut Rechtsprechung betroffen sind technische Einrichtungen, die dazu bestimmt sein können, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Danach besteht Mitbestimmung etwa bei
Es ist nicht entscheidend, ob der Arbeitgeber mit dieser Technik überwachen will oder überwacht, sondern allein die technische Möglichkeit, überwachen zu können, reicht für die Mitbestimmung aus. Es ist nicht erforderlich, dass die Daten eine sachgerechte Beurteilung ermöglichen (BAG vom 14.09.1984 - 1 ABR 23/82)
Unter den Begriff „Überwachen“ fällt das Sammeln oder Auswerten von Daten, wobei Voraussetzung ist, dass die Daten Arbeitnehmern zugeordnet werden können. Wenn die Produktion als großes Netzwerk organisiert wird, nimmt dies Kunden und Beschäftigte nicht aus. Die Vernetzung der IT-Systeme ermöglicht es dem Arbeitgeber, eine dauernde Überwachung der Arbeitsleistung und des Verhaltens der
Arbeitnehmer vorzunehmen. Entsprechend sensibel werden Betriebsräte bei diesem Thema sein.
Digitale Transformation, agile Steuerung – das sind nur zwei Stichworte, die verdeutlichen, welche Veränderungen in den Unternehmen derzeit organisiert werden. Diese Neuerungen können nur erfolgreich umgesetzt werden, wenn auch die Mitarbeiter davon überzeugt werden können. Wenn die Produktion in den Betrieben als großes Netzwerk organisiert wird, nimmt dies Kunden und Arbeitnehmer nicht aus. Die Vernetzung der IT-Systeme ermöglicht eine Kontrolle der Arbeitsleistung. Dabei ermöglichen es die eingesetzten Programme, personenbezogene oder personenbeziehbare Leistungsdaten des Beschäftigten zu erfassen. Viele Betriebsräte stehen diesen Techniken deshalb skeptisch gegenüber.
Neue Technik kann nur von qualifizierten Arbeitnehmern effizient genutzt werden, Selbststeuerung gelingen nur mit motivierten Teams. Die Herausforderungen sind groß. Denn einerseits sollten Arbeitnehmer mehr Eigenverantwortung erhalten, auch gegenüber Kunden. Andererseits gelingt dies nur mit einem neuen Führungsverständnis. Führungskräfte erhalten eine neue Rolle, sie sollen moderieren, statt Anweisungen zu geben. Diese Neuerungen stellen eine große Herausforderung für Führungskräfte und Personalentwickler dar, die bei der Umsetzung auch häufig unter Zeitdruck stehen.
Vergessen wird deshalb viel zu oft ein Machtfaktor im Betrieb: der Betriebsrat. Wird das Gremium nicht frühzeitig informiert und keine Einbindung organisiert, kann es schnell zu Verzögerungen kommen. Schnell können unterschiedliche Wahrnehmungen zu langen Diskussionen führen, oft werden auch gegenseitige Feindbilder aufgebaut. Ein wichtiges Projekt ist dann von vorneherein mit Streitigkeiten verbunden, mit entsprechenden Wirkungen auf die Mitarbeiter.
Das Seminar „Umgang mit dem Betriebsrat“ widmet sich den Möglichkeiten, die ein Betriebsrat auch durch die Digitalisierung hat – und was dies für Personaler, Projektleiter und Management bedeutet. Es geht dabei nicht um die Suche nach einfachen Lösungen – vielmehr ist beim Umgang mit dem Betriebsrat einerseits Geduld, andererseits Strategie gefragt. Entscheidungsträger müssen einschätzen können, welche Rechte der Betriebsräte bei agiler Steuerung und digitaler Transformation haben. Auf dieser Basis ist dann intern das Vorgehen gegenüber dem Gremium zu klären. Welche Möglichkeiten bestehen, stellt das Seminar anhand betrieblicher Beispiele dar.
2-Tage Intensiv-Seminar
Zusammenarbeit von Arbeitgeber und Betriebsrat
In unserem Intensiv-Seminar wird Ihnen der rechtliche Rahmen der Betriebsratsarbeit aufgezeigt und durch praxisbezogene Darstellungen verständlich erläutert - auch für juristische Laien. Darüber hinaus erhalten Sie diverse Anregungen, wie Sie die Zusammenarbeit mit Ihrem Betriebsrat konstruktiv gestalten können.